Skip to main content

Alexander Dobrindt: "Verantwortung kennt schlichtweg keinen Schlussstrich"

Rede zu Antisemitismus entschlossen bekämpfen

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Anerkennung des israelischen Staates, der Schutz des jüdischen Volkes, der Kampf gegen jede Form von Antisemitismus, das alles gehört unauflösbar zu Deutschland. Wir tragen dabei gemeinsam die Verantwortung dafür, dass nichts, aber auch gar nichts relativiert wird und jemals zur Disposition steht. Diese Verantwortung kennt schlichtweg keinen Schlussstrich. Es ist richtig, dass jeder, der bei uns lebt, diese Verantwortung trägt, dass jeder, der nach uns kommt, diese Verantwortung trägt und dass auch jeder, der zu uns kommt, diese Verantwortung trägt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Max Mannheimer hat das einmal in Richtung unserer Generation so zusammengefasst:

Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.

Deswegen gilt bei uns null Toleranz gegenüber jeder Form von Antisemitismus, jeder Form von Judenhass, gerade auch dann, wenn er unter dem Deckmantel der Israelkritik daherkommt. Wir werden keinem alten, keinem neuen, übrigens auch keinem leisen und keinem lauten, keinem rechtsextrem und keinem linksextrem motivierten Antisemitismus und keinem islamistischen Antisemitismus in unserem Land auch nur einen Millimeter Platz einräumen. Das ist unser aller Auftrag und Verpflichtung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist es schon ein starkes Signal, dass die CDU/CSU, die SPD, die FDP und die Grünen einen gemeinsamen Antrag formuliert haben. Das ist ein wichtiger Baustein in der Debatte.

Der Antisemitismusbeauftragte, wie wir es in unserem Antrag formuliert haben, ist ein richtiges Instrument. Er ist Ansprechpartner und Vermittler für die Zivilgesellschaft, den Bund, die Länder und die Kommunen. Das entbindet übrigens niemanden von seiner ganz eigenen, persönlichen Verantwortung; das darf auch niemanden entbinden, sich zu engagieren. Deswegen sollten wir gemeinsam dafür streiten, einen Ansprechpartner zu installieren, einen Beauftragten, wie wir ihn nennen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

70 Jahre nach der Terrorherrschaft blüht in unserem Land wieder jüdisches Leben. Ich empfinde das als ein kostbares Geschenk, für das wir dankbar sein können. Es gäbe mehr als 6 Millionen Gründe, uns den Rücken zu kehren aus Abscheu, Verbitterung und Feindseligkeit. Dennoch hat man uns wieder Vertrauen entgegengebracht. Das ist eine Botschaft der Versöhnung und des Friedens. Diese Botschaft greifen wir immer wieder auf. Das ist gerade jetzt von besonderer Bedeutung, weil wir vor einer Zäsur stehen, dann nämlich, wenn die letzten Überlebenden der Schoah und andere Zeitzeugen gestorben sein werden. Deshalb ist es für uns so bedeutsam und wichtig, dass wir uns der historischen Verantwortung auch für die kommenden Generationen bewusst sind und diese Verantwortung immer wieder neu diskutieren.

Es war schon die Rede davon, dass alle in dieser Verantwortung stehen, dass es überall Antisemitismus gibt und dass wir die Breite dessen, die sich leider erkennen lässt, formulieren müssen. Deswegen darf ich sagen: Ja, es stimmt, dass antisemitische Delikte und die Hetze überwiegend aus rechtsextremen Kreisen kommen. Gleichzeitig erleben wir, dass in manchen Heimatländern der Menschen, die bei uns Schutz suchen, der Antisemitismus Teil der Sozialisierung ist. Wir dulden aber keine Anfeindungen gegenüber Juden, egal von wem. Deswegen bleibt für uns klar: Wer zu uns kommt, der muss mit uns leben wollen. Dazu gehört auch das klare Bekenntnis gegen Antisemitismus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der AfD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir fordern in unserem Antrag, dass die Integrationskurse stärker die Vermittlung unserer historischen Verantwortung beinhalten. Wer bei uns Schutz sucht, der muss bereit sein, unsere jüdischen Mitbürger zu schützen. Das ist es, was wir von jedem, der bei uns leben will, in gleichem Maße verlangen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, um auch dies deutlich zu formulieren: Nicht ein Mahnmal ist eine Schande, sondern jedes antisemitische Wort, jede antisemitische Tat.

(Stephan Thomae [FDP]: Ja!)

Jedwede Relativierung unserer gesellschaftlichen Verantwortung ist eine Schande für Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

Um es klar zu sagen: Wer Ressentiments gegenüber Juden schürt, kann kein Anwalt einer deutschen Leitkultur sein; denn das christlich-jüdische Erbe ist für unsere Leitkultur konstitutiv, liebe Freunde.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wer antisemitische Parolen ruft, ist niemals ein Vertreter einer bürgerlich-konservativen Mitte unserer Gesellschaft. Wer antisemitische Parolen ruft, ist kein deutscher Patriot. Der Schutz des jüdischen Volkes ist Teil unserer deutschen Leitkultur. Der Kampf gegen den Antisemitismus muss Aufgabe eines jeden Deutschen sein.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)