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Alexander Dobrindt

Alexander Dobrindt: Die Sozialkassen sind keine Sparkassen

Haushaltsgesetz 2018 - Rede zum Einzelplan 04 - Generaldebatte

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben mit der Globalisierung eine Vielzahl neuer Spannungsfelder, gekoppelt mit dem Wunsch der Menschen nach Heimat, Herkunft und Identität. Wir diskutieren auch die Chancen der Digitalisierung und wollen gleichzeitig dafür sorgen, dass alle die Möglichkeit haben, davon zu profitieren.

Wir reden auch in der Haushaltsdebatte gerade über die Verantwortung von uns in der Welt, übrigens auch gerade über die humanitäre Verantwortung Deutschlands in der Welt und die Verantwortung für Sicherheit, kulturelle Stabilität und den gesellschaftlichen Frieden. Das alles wollen wir zusammenbringen, und dies geht nur dann, wenn man die Bereitschaft hat, in einen starken Staat zu investieren, einen Staat, der Recht setzt und auch Recht durchsetzen kann, der die Innovationen vorantreibt, den Wohlstand fortschreibt, Europa gestaltet und die Souveränität unserer Heimat bewahrt. Das ist die Aufgabe, die mit einem soliden Haushalt erfüllt werden kann.

Zu einem soliden Haushalt gehört gerade das Fortschreiben dessen, was wir in der letzten Legislaturperiode begonnen haben, nämlich einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen, und zwar mit einer schwarzen Null. Ich verstehe überhaupt nicht, wieso man daran nach all den Erlebnissen, die wir in der Vergangenheit im Zusammenhang mit der Schuldenkrise in Europa hatten, auch nur einen Hauch an Kritik äußern kann. Ich verstehe nicht – wenn die Zeitungsberichte stimmen –, warum in der SPD-Fraktion über den Finanzminister gelästert wird als Olaf Schäuble, die Verlängerung von Wolfgang Schäuble. Seien Sie doch stolz darauf, dass wir die Errungenschaften der schwarzen Null in diesem Land weiterentwickeln und für die Zukunft erhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf: Budgetfetisch!)

– Derjenige, der das behauptet, hat in der Tat aus der Schuldenkrise beim besten Willen nichts gelernt.

Vollkommen egal, ob dieser Unsinn im Deutschen Bundestag oder in Aachen erzählt wird, es war nicht der Budgetfetisch, der Europa in die Krise geführt hat. Es war der linke Schuldenfetisch, der einige Länder Europas an den Rand des Abgrunds gebracht hat.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Mehr Schulden bei weniger Investitionen, mehr Ausgaben, weniger Wachstum, mehr Umverteilung, weniger Leistung, das ist doch die linke Politik in Europa gewesen. Diese Lasten haben wir noch immer zu tragen. Tragen können wir sie in Europa ausschließlich deshalb, weil Deutschland in der Lage ist, solide Haushalte aufzustellen. Deswegen funktioniert das Ganze.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Frau Bundeskanzlerin hat darauf hingewiesen, dass die Schulden von heute nichts anderes sind als die Steuerhöhungen von morgen. Man darf daher sagen: Wer Schulden fordert, fordert Steuererhöhungen. Wer Steuererhöhungen fordert, will nichts anderes, als heute zu konsumieren und die Zeche die nächste Generation zahlen zu lassen. Wir stehen für Generationengerechtigkeit und werden daran nichts ändern.

(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn die Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte erhöht?)

Neben der Bedeutung der Investitionen geht es um die Entlastung der Bürger. Bei Rekordhaushalten und Rekordsteuereinnahmen muss man die Entscheidung zugunsten von Entlastungen kraftvoll treffen. Dabei ist der Abbau der kalten Progression nur eine zwingende Notwendigkeit.

(Benjamin Strasser [FDP]: Das stimmt gar nicht!)

Ich teile diese Auffassung. Aber, liebe Kollegen von der FDP, den Vorwurf, wir kauften uns Zustimmung durch Entlastung ein, weise ich zurück.

(Benjamin Strasser [FDP]: Nicht durch Entlastung, sondern durch mehr Geld!)

Früher war für die FDP eigentlich „mehr Netto vom Brutto“ ein Thema. Nun den Menschen etwas zurückzugeben, wenn wir die höchsten Steuereinnahmen haben, gleichzeitig in starke Regionen und in die Zukunft zu investieren, das nenne ich nicht „Zustimmung einkaufen“, sondern „Leistung honorieren“ und „Wohlstand fortschreiben“. Das ist das Ergebnis, das wir aus der Bundestagswahl abgeleitet haben.

(Beifall bei der CDU/CSU – Benjamin Strasser [FDP]: Helmut Kohl hat es aber versprochen! – Gegenruf des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das ist nicht mehr die FDP von früher!)

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um über eine Senkung der Sozialabgaben zu reden. Die Sozialkassen sind keine Sparkassen. Wenn die Bundesagentur für Arbeit demnächst Rücklagen in einer Größenordnung von 20 Milliarden Euro hat, dann darf man nicht vergessen, dass das das Geld der Beitragszahler ist. Das muss den Beitragszahlern zurückgegeben werden. Wir haben vereinbart, den Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung um 0,3 Prozentpunkte zu senken und so circa 3,6 Milliarden Euro zurückzugeben. Ich bin heute der Überzeugung: Wir können an dieser Stelle mehr machen. Lassen Sie uns darüber reden, ob wir den Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung um 0,5 Prozentpunkte – das entspricht etwa 6 Milliarden Euro – senken sollten. Wir sollten die Zeit der Bundesagentur für Arbeit als Sparkasse nicht verlängern, sondern das Geld den Beitragszahlern zurückgeben. Das ist unser Auftrag.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Ich bin froh, dass wir in dieser Debatte auch ausgiebig über Europa gesprochen haben. Ein starker Staat, wie wir ihn in unserem Haushaltsentwurf vorsehen, funktioniert heute als starker Nationalstaat mit nationaler Souveränität nur dann, wenn es ein starkes Europa gibt. Nur dann werden wir unsere nationale Souveränität auf der Welt erhalten können. Ich will ein starkes und geeintes Europa. Das heißt aber nicht, dass ausschließlich diejenigen gute Europäer sind, die die meisten Kompetenzen möglichst schnell an Brüssel abgeben wollen. Es geht darum, Europa weiterzuentwickeln, nicht als „ever closer union“, sondern als „ever stronger union“. Das ist der Auftrag: Wir wollen stärker werden in Europa, und das heißt, einen klaren Mehrwert mit dem, was wir für Europa vereinbaren wollen, zu verbinden; mehr Europa im Großen, weniger im Kleinen. Wir sind bereit, dafür finanzielle Aufwendungen bereitzustellen. Wir wollen auch den Schutz der Außengrenzen vorantreiben, und wir wollen dafür sorgen, dass Europa in der Tat bei den ganzen Fragen der Migration mehr Verantwortung übernehmen kann.

Meine Damen und Herren, wir haben heute noch sehr stark mit der Aufarbeitung der Flüchtlingskrise zu tun. Wir sind aber auch bereit, diese Aufarbeitung voranzutreiben. Dazu gehört, dass wir eine funktionierende Rückführungskultur in Deutschland schaffen. Wer kein Bleiberecht hat, der muss auch wieder gehen. Wer kriminell ist, der hat sein Bleiberecht verwirkt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Bundesminister Horst Seehofer entwickelt dafür den Masterplan für Rückführungen. Wir arbeiten an der Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten. Wir wollen, dass auch beim Aufwuchs der Mittel für die Entwicklungshilfe eine Kombination mit der Kooperationsbereitschaft von Drittländern hinsichtlich Rückführungen stattfindet. Wir werden die AnKER-Zentren aufbauen und damit unser Asylsystem wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Erst wenn die Identität geklärt ist, das Verfahren abgeschlossen ist, wird auf die Kommunen verteilt oder direkt aus den AnKER-Zentren abgeschoben. Wer kein Bleiberecht in Deutschland erhält, der soll sich in diesem Land auch erst gar nicht einrichten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt will ich darauf hinweisen, dass wir bei den Asylverfahren ein Aufwachsen vom Jahr 2016 auf das Jahr 2017 um mehr als das Doppelte haben, und zwar auf 360 000 Verfahren. Ja, das überlastet in der Tat unsere Verwaltungsgerichte. Das führt zu einer extrem langen Dauer der Asylverfahren. Das führt zu einer Verstetigung der Aufenthalte, und das führt auch zu einem Pull-Effekt.

Wir brauchen natürlich eine Beschleunigung der Asylverfahren. Es gibt bis heute keine Mitwirkungspflicht der Asylbewerber bei Widerrufsverfahren. Wer sich in einem Widerrufsverfahren taubstumm stellt, der kann auch überhaupt nicht überprüft werden. Wir wollen aber eine Mitwirkungspflicht der Asylbewerber haben, wenn überprüft wird, ob es noch einen Schutzgrund gibt; denn wenn wir nicht mehr überprüfen können, ob Schutzgründe noch bestehen, dann können wir am Schluss auch nicht dafür sorgen, dass Menschen, die keinen Schutzgrund mehr haben, wieder in ihre Heimatländer zurückgebracht werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist aber notwendig, um Akzeptanz im System zu erhalten.

Noch ein Hinweis, lieber Christian Lindner; denn Sie haben behauptet: Es gibt keine Antiabschiebeindustrie in Deutschland. – Man kann beim Bäcker sicher viel lernen, aber nicht alles, vermute ich.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Benjamin Strasser [FDP]: Tätä, tätä, tätä! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Menschen nehmen ihre Rechte wahr!)

Schauen Sie sich mal an, was die Flüchtlingsräte veröffentlichen. Sie gehen davon aus, dass sie mit ihren Aktionen immer weniger Flüchtlinge in die Abschiebeflugzeuge bringen. Sie gehen davon aus, dass sie Abschiebungen verhindern können, wenn die Betroffenen gewarnt werden und die Betroffenen „untertauchen“, so wörtlich; das sei ein Erfolg. Wer heute dazu auffordert, wie es Flüchtlingsräte tun, dass Unterstützer und Anwälte über Abschiebetermine informieren, damit gefährdete Personen sich verstecken können,

(Benjamin Strasser [FDP]: Was sagt die SPD denn dazu?)

wer darauf hinweist, dass man sich nicht zu Hause aufhalten soll, wenn Abschiebetermine anstehen, oder dass man blaumachen soll, weil es, so wörtlich, „kreative Möglichkeiten“ gibt, warum man mal nicht zur Arbeit kommen kann, der hat mit Sicherheit alles andere als ein rechtsstaatliches Verständnis von Asylverfahren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Benjamin Strasser [FDP]: Dann macht doch mal was!)