Zukunftsthemen anpacken
Im Interview mit der Rheinischen Post bekräftigt Unionsfraktionschef Volker Kauder, dass er bei Zukunftsthemen wie der Digitalisierung Dampf machen will. Zudem müsse eine C-Partei "erläutern, wie die Würde eines jeden Menschen im Zeitalter der Digitalisierung bewahrt werden kann". Lesen Sie hier das ganze Interview:
Rheinische Post: Sollte die SPD ein positives Votum zum Koalitionsvertrag abgeben - welche Vorhaben sind für die CDU die wichtigsten Projekte, die zuerst von der neuen Regierung angepackt werden sollten?
Kauder: Wir müssen zuerst die Zukunftsthemen anpacken – bessere Schulbildung über den Digitalpakt und der Ausbau des Glasfasernetzes. Die neue Regierung muss gleich beweisen, dass sie eine neue Dynamik in Deutschland auslösen will, wie es im Koalitionsvertrag steht. Wir müssen hier Dampf machen. Bei der Digitalisierung haben wir gegenüber anderen Ländern einen Rückstand, der schnellstmöglich aufgeholt werden muss. Daneben müssen ganz rasch die Maßnahmen zur Förderung der Familien – Stichwort Baukindergeld - und des Wohnungsbaus auf den Weg gebracht werden - als Zeichen für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Die Stärkung der inneren Sicherheit und des Rechtsstaats stehen für mich auch ganz oben.
Wer aus der CDU sollte denn das Bildungsministerium übernehmen. Hermann Gröhe?
Kauder: Die Bundeskanzlerin wird einen klugen Vorschlag für die Besetzung der Kabinettsposten vorlegen, die der CDU zustehen. Er wird sicher ausgewogen sein - Frauen wie Männern berücksichtigen, Jüngere und wie Erfahrene. Den Vorschlag können wir in großer Ruhe abwarten.
Auch ausgewogen zwischen ihren Unterstützern und ihren Kritikern?
Kauder: Ich denke, dass sich viele wiederfinden können.
Was wird aus Jens Spahn - könnte der nicht auch Fraktionschef werden?
Kauder: Ach, lassen wir doch die Spekulationen. Die Bürger wollen im Übrigen, dass unser Land jetzt endlich regiert wird.
Der CDU-Wirtschaftsflügel sorgt sich, dass durch die Abgabe des Finanzministeriums an die SPD der Kurs Schäubles in der europäischen Finanzpolitik verlassen werden könnte. Teilen Sie die Sorge?
Kauder: Der neue Finanzminister muss sich an die Leitlinien des Koalitionsvertrags halten. Danach wird der Unions-Kurs der finanzpolitischen Solidität in dieser Wahlperiode fortgesetzt. Da gibt es kein Vertun. Das heißt: Keine neuen Schulden. Keine Haftungsunion in Europa. Alle Entscheidungen zum Haushalt und zur Euro-Stabilisierungspolitik müssen auch durch den Bundestag – und damit auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die lässt nicht mit sich spaßen.
Wird Merkel ihren Abschied selbstbestimmt über die Bühne bekommen?
Kauder: Die Kanzlerin wird vor allem Deutschland erst einmal kraftvoll regieren. Im Übrigen handelt sie in jeder Hinsicht klug.
Wann kann sie auf die Macht verzichten?
Kauder: Angela Merkel muss vor allem das Land zunächst einmal führen. Ich sehe niemanden, der das besser könnte. Das ist auch die Meinung der Bürger.
Werden Sie Fraktionschef bleiben, so lange Merkel Kanzlerin ist?
Kauder: Ich bin bis September gewählt und möchte auch danach gern weitermachen.
Wird es der CDU gelingen, sich zu erneuern?
Kauder: Um den Anforderungen der Zeit zu entsprechen, muss sich jede Vereinigung, jede Einrichtung immer weiterentwickeln und erneuern. Sie sehen das im Sport, in der Kultur – überall. Da geht es um Personen, aber auch immer um Inhalte. Auch die Erneuerung einer Partei gelingt nicht allein über neue Personen. Die Union muss sich in nächster Zeit verstärkt mit ihrem Wertefundament angesichts der Herausforderungen der Zukunft beschäftigen. Wir müssen erklären, was heute Politik auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes bedeutet – in einer Zeit, in der die Digitalisierung die Gesellschaften mit großer Wucht trifft.
Können Sie das an einem konkreten Themenbereich erklären?
Kauder: Eine C-Partei muss erläutern, wie die Würde eines jeden Menschen im Zeitalter der Digitalisierung bewahrt werden kann, in dem Roboter dem Menschen immer ähnlicher werden und ihn zunehmend ersetzen. Wir müssen definieren, was Soziale Marktwirtschaft in der Zeit der Digitalisierung bedeutet, wie wir jenseits der Förderung der Digitalisierung diese gestalten können. Und ganz konkret: Zu seiner Würde gehört auch, dass ein Mensch eine gute Bildung erhält, damit er etwas aus sich machen kann. Die Grundlage dafür sind gut qualifizierte Lehrer. Da ist es unerträglich, dass viele angestellte Lehrer kurz vor den Sommerferien entlassen werden, um im September wieder eingestellt zu werden.
Sie plädieren für die Verbeamtung von Lehrern?
Kauder: Generell ja. Und der Missbrauch mit den Kettenarbeitsverträgen muss bei den Lehrern aber als erstes beendet werden! Da müssen die Länder ganz schnell ran.
Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass die Kanzlerin sich künftig dreimal im Jahr von den Abgeordneten befragen lassen soll. Wird das die Debatten-Kultur im Parlament verbessern?
Kauder: Das werden wir sehen. Die Einzelheiten dieser Befragung müssen wir noch unter den Fraktionen regeln.
Soll es in diesem Jahr mit der Befragung losgehen?
Kauder: Ja, wir wollen damit 2018 starten.
Der Schlagabtausch ist nicht die Lieblingsbeschäftigung von Frau Merkel. Könnte ihr das schaden?
Kauder: Ich bin mir sicher, dass diese Befragung Angela Merkels Popularität steigern wird. Es wird dort wieder einmal sichtbar werden, wie sie in den Themen drinsteckt und wie tief sie über die Dinge nachdenkt.
Noch ist offen, ob die SPD-Mitglieder den Koalitionsvertrag annehmen. Kann sich die Union auch eine Minderheitsregierung vorstellen?
Kauder: Eine Minderheitsregierung ist nicht stabil genug, um die wirklich großen Herausforderungen bewältigen zu können.
Andrea Nahles soll neben dem Posten der Fraktionschefin auch SPD-Parteichefin werden. Macht das die Zusammenarbeit schwieriger?
Kauder: Es hat eine neue Qualität. Wie ich die bisherige Zusammenarbeit mit Frau Nahles auch als Ministerin erlebt habe, wird das gut gelingen. Ich bin sicher, dass wir - Andrea Nahles, Alexander Dobrindt und ich - ein Gespann auf Fraktionsebene bilden können, das diese Koalition trägt.
Deniz Yücel ist freigekommen. Was bedeutet das für die deutsch-türkischen Beziehungen?
Kauder: Die Inhaftierung von Herrn Yücel war eine schwere Belastung in den Beziehungen zur Türkei. Die Freilassung ist zu begrüßen, wiegt aber nicht das Unrecht auf, das Herrn Yücel widerfahren ist. Die Freilassung bedeutet auch nicht, dass damit alle Probleme in den bilateralen Beziehungen ausgeräumt sind. Wir denken nur an andere Inhaftierte, darunter auch Deutsche, die ebenfalls unter rechtsstaatlich fragwürdigen Bedingungen in den Gefängnissen sitzen. Wir betrachten die Lage der Menschenrechte und insbesondere der Religionsfreiheit in der Türkei auch weiter mit Sorge. Wir erwarten vor allem, dass sich die türkische Regierung mit Versuchen der Einflussnahme auf die in Deutschland lebenden türkischstämmigen Bürger auch in Zukunft zurückhält. Bis zu einer Normalisierung der Beziehungen auf ein Niveau, wie es unter Nato-Partnern üblich wäre, ist es noch ein weiter Weg. Ein Schritt ist nun immerhin gemacht.
Interview für die Rheinische Post. Fragen von Kristina Dunz und Eva Quadbeck.