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(Quelle: Thomas Imo)

"Es geht darum, ein großes Zukunftspaket zu organisieren"

Im Gespräch mit dem FOCUS richtet Fraktionschef Ralph Brinkhaus seinen Blick nach vorne. Er macht deutlich, wie wichtig es ist, ein großes Zukunftspaket zu organisieren. "Dabei reden wir nicht nur über Klimaschutz, sondern ganz viel über Technologie, Innovation und den Wirtschaftsstandort", so Brinkhaus. Lesen Sie hier das ganze Interview:

 

Herr Brinkhaus, die CDU verliert bei den Wählern in Brandenburg und Sachsen massiv an Zustimmung. Hat die Partei das Gefühl für den Osten verloren?

Ralph Brinkhaus: Ganz sicher nicht. Und ich mag diese Verortungen nach Himmelsrichtungen nicht. Im Übrigen: Die Grünen haben bei der Europawahl in manchen Städten im Westen zweistellig zugelegt. Da wird auch nicht gleich gefragt, ob die CDU das Gefühl für den Westen verloren hat.

Ist es denn abhandengekommen?

Brinkhaus: Überhaupt nicht. Und deswegen sollten wir weder den Grünen hinterherlaufen und auch nicht versuchen, uns rechtsaußen zu verorten. Das ist auch nicht unser Selbstverständnis. Wir als Union stehen dafür, eben gerade nicht zu polarisieren. Wir sind diejenigen, die in der Mitte stehen, die Kompromisse organisieren und so das Land zusammenhalten.

Das finden aber offenbar immer weniger Wähler sexy.

Brinkhaus: Von „sexy sein“ wird man aber nicht satt. Das heißt: Irgendjemand muss das Land am Laufen halten, sich um die Voraussetzungen für unseren Wohlstand kümmern und in die Zukunft führen. Und das geht nur zusammen und nicht gegeneinander.

Ist es nicht auch so, dass die CDU-Spitze bewusst Teile der Partei und Personen ausgrenzt, so wie Hans-Georg Maaßen – und deshalb an Zustimmung einbüßt?

Brinkhaus: Den Parteispitzen ist es sehr wichtig, dass die Union in der ganzen Breite wahrgenommen wird. Deswegen haben wir sowohl Werkstattgespräche zum Thema Umwelt wie auch zum Thema Migration. Wir haben prominente Konservative, Christsoziale, aber auch Wirtschaftsliberale.

Sie weichen aus: Es beschäftigt viele CDU-Mitglieder und Wahlkämpfer, wie die Parteispitze zu Maaßen steht und ob ihm ein Rauswurf aus der CDU droht.

Brinkhaus: Dazu haben sich alle betroffenen Personen in der letzen Woche hinreichend und abschließend erklärt. Mir geht es um Sach- und nicht um Personalfragen. Warum können wir eigentlich nicht mehr über die großen Herausforderungen reden – von der Zukunft unseres Wirtschaftsstandorts, Bildung, innere und äußere Sicherheit? 

Hans-Georg Maaßen muss also keinen Parteiausschluss fürchten?

Brinkhaus: Mir ist nicht bekannt, dass irgendjemand ein derartiges Verfahren einleiten will.

Auch bei Sachthemen gibt es Gegenwind aus Berlin für die Wahlkämpfer: CDU und CSU blockieren die Grundrente, die von Christdemokraten im Osten gefordert wird. Machen Sie es den eigenen Wahlkämpfern nicht unnötig schwer?

Brinkhaus: Es ist umgekehrt: Die SPD blockiert die Grundrente! Im Koalitionsvertrag ist eine Bedürftigkeitsprüfung vereinbart. Die lehnt die SPD ab. Wir wollen aber keine Lösung, bei der das Geld mit der Gießkanne verteilt wird. Wenn die SPD sich an den Koalitionsvertrag halten würde, könnten wir die Grundrente sehr schnell einführen.

Ist das Verhalten der SPD die Ouvertüre für den Ausstieg
aus der großen Koalition?

Brinkhaus: Wir als Union stehen zum Koalitionsvertrag, und zwar bis 2021. Richtig ist aber, die SPD rückt seit Monaten ganz kräftig nach links. Das zeigen die rotgrün-rote Koalition in Bremen, aber auch die Vorschläge zur Vermögenssteuer. Wir jedenfalls stehen für eine respektvolle Zusammenarbeit. Aber die GroKo ist für uns kein Selbstzweck. Und wir werden uns als Union da sicherlich nicht verbiegen, um 2021 zu erreichen.

Dann wünschen Sie sich sicherlich, dass Olaf Scholz und Klara Geywitz neue SPD-Chefs werden? Schließlich wollen beide die GroKo fortsetzen.

Brinkhaus: Ich werde mich nicht in die Personalpolitik der SPD einmischen. Aber jeder, der jetzt Koalitionen infrage stellt, muss wissen, dass Deutschland sich in einem schwierigen internationalen Umfeld befindet und zudem ab Juli 2020 für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Da ist eine stabile Regierung sehr wichtig.

Die Alternative wären Neuwahlen im Frühjahr 2020 und die Bildung einer schwarz-grünen Koalition.

Brinkhaus: Na ja, so einfach ist das nicht. CDU und Grüne verbindet nicht so viel, wie das oftmals geschrieben wird. In der Umwelt- und Klimapolitik haben wir in einigen Feldern ähnliche Ziele, aber die Wege dahin sind unterschiedlich. Auf anderen Feldern, beispielsweise der Außen-, Sicherheits- und Migrationspolitik, der Wirtschafts- und Steuerpolitik, trennt uns wirklich eine Menge. Denken Sie nur daran, dass die Grünen sich weigern, nordafrikanische Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären und damit die Asylverfahren zu beschleunigen, und ein Signal an diese Länder senden.

Begraben Sie gerade alle Spekulationen um Schwarz-Grün?

Brinkhaus: Nein. Ich möchte nur klarmachen, dass die Herausforderungen, mit den Grünen eine Koalition zu bilden, vielleicht andere sind als in einer Koalition mit der SPD – aber dass das ganz bestimmt nicht einfacher wird.

Dabei hat man den Eindruck, die Union kann in Sachen Umweltpolitik gar nicht schnell genug ganz grün werden.

Brinkhaus: Entschuldigung, die Klimaschutzziele für 2020 bis 2050 haben nicht die Grünen, sondern wir selbst festgelegt – zum Beispiel auf der Pariser Klimakonferenz.

Aber die unionsgeführte Bundesregierung schafft es auch nicht, sie einzuhalten. Hat die CDU gedacht, das erledigt sich von allein?

Brinkhaus: Nein, natürlich nicht. Es sind unsere Ziele, und deswegen müssen wir mehr tun. Und deswegen wird die Bundesregierung auch im September ihr Klimaschutzpaket auf den Weg bringen. Ich bin mal gespannt, ob wir dann auch – zum Vergleich – ein schlüssiges und vor allem konkretes Gesamtpaket von der Opposition sehen werden.

Viele möchten aber gern vor den Landtagswahlen wissen: Kommt die CO2-Steuer?

Brinkhaus: Wir werden nicht umhinkommen, das klimaschädliche CO2 zu bepreisen. Ich persönlich halte eine marktnahe Lösung für besser als eine Steuer. Denn damit garantieren wir, dass die Klimaziele auch erreicht werden. In welcher Form wir die Bepreisung dann letztlich auf den Weg bringen werden, das werden wir in den nächsten Wochen gemeinsam mit unserem Koalitionspartner festlegen.

Laut Eigentümerverband Haus & Grund könnten Mietern und Hausbesitzern Kosten von 100 Euro im Monat und mehr entstehen. Bedeutet Klimaschutz Verzicht und höhere Kosten?

Brinkhaus: Wir wollen den Prozess so organisieren, dass ihn alle mitgehen können und es eben nicht zu sozialen Verwerfungen kommt. Um bei Ihrem Beispiel zu bleiben: Wenn wir den Menschen helfen, durch Zuschüsse oder durch steuerliche Förderung ihre Gebäude energetisch zu sanieren, dann reduzieren wir natürlich die Heizkosten. Das wollen wir mit den Menschen zusammen organisieren, und dafür müssen wir ihnen Anreize und auch Zeit geben.

Müssen Sie mit dem Finanzminister noch klären, wie viele neue Schulden er für mehr Klimaschutz aufnehmen darf?

Brinkhaus: Wir bleiben weiterhin finanziell solide, das ist unser Markenkern. Und wir haben Regeln, die wollen wir auch einhalten.

Das heißt: Ab 2021 wird der Bund wieder neue Schulden machen?

Brinkhaus: Es geht doch nicht um Schulden, sondern darum, ein großes Zukunftspaket zu organisieren. Und dabei reden wir nicht nur über Klimaschutz, sondern ganz viel
über Technologie, Innovation und den Wirtschaftsstandort. Und dafür müssen wir uns den laufenden Haushalt genau anschauen. Ich denke, da gibt es noch Spielräume.

Der Bund hat gerade fast 18 Milliarden Euro Überschuss vermeldet.

Brinkhaus: Stimmt, aber die Konjunktur flaut gerade ab. Das ist also eine Momentaufnahme. Aber noch mal, ich bin mir trotzdem sicher, dass im Bundeshaushalt auch noch Luft ist. Wir brauchen deswegen eine Generalrevision. Das heißt, wir müssen prüfen, was ist noch sinnvoll, wo sind wir ineffizient. Ich bin davon überzeugt,  wenn wir das gemeinsam angehen, dann haben wir noch einige Reserven.

Was tut Ralph Brinkhaus eigentlich persönlich für mehr Klimaschutz?

Brinkhaus: Das, was viele tun, aber wahrscheinlich nicht genug. Mehr mit der Bahn als mit dem Flieger reisen, mehr zu Fuß gehen als mit dem Auto fahren. Privat bewusster einkaufen. Im Winter die Heizung besser regulieren.

Muss der Staat also gar nicht alles regeln?

Brinkhaus: Klimaschutz beginnt mit der Eigenverantwortung jedes Einzelnen. Und erst dann kommt der Staat mit Bepreisung – oder besser: mit Anreizen und Förderung von Technologien.

Interview mit FOCUS |  Fragen von: J. Garvert / J. W. Schäfer