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(Quelle: picture alliance/dpa)

Hardt: "Diplomatisches Gewicht der EU stärken"

Jürgen Hardt im Kurzinterview

Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, während ihrer Ratspräsidentschaft die internationale Handlungsfähigkeit der Europäischen Union zu steigern. Im Kurzinterview Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Herr Hardt, Europa muss international immer mehr Verantwortung übernehmen. Wie kann die Europäische Union außenpolitisch schlagkräftiger werden?

Hardt: Die internationale Handlungsfähigkeit der EU ist eine Priorität – sowohl der deutschen EU-Ratspräsidentschaft als auch der EU-Kommission, die sich immerhin als „geopolitische Kommission“ bezeichnet. Das ist richtig so, denn in einer Zeit, in der Großmächte und aufsteigende Mächte zu immer robusteren Mitteln greifen, um die eigenen Interessen durchzusetzen, muss die EU in der Lage sein, für die eigenen Interessen und Werte einzutreten. 

Dazu muss sie von Innen gestärkt werden. Dabei hilft der Wiederaufbaufonds, mit dem die Folgen der Corona-Krise gemeinschaftlich bewältigt werden. Dabei hilft auch der Mehrjährige Finanzrahmen, der Investitionen in Zukunftstechnologien erlaubt. Profitieren würde die EU auch, wenn es ihr gelänge, sich auf ein gemeinsames Asylsystem zu einigen und dies auch durchzusetzen. Zudem muss das Instrumentarium des Außenhandelns der EU gestärkt werden. Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit sind wir gut. Allerdings können wir die Ressourcen gerade auch mit den anderen Mitgliedstaaten noch besser bündeln.

„Von der Armee der Europäer zur Europäischen Armee“ 

Nachholbedarf haben wir im militärischen Bereich. Wir müssen unsere Streitkräfte besser integrieren, wichtige Rüstungsprojekte gemeinsam durchsetzen und im Falle von Krisen reaktionsschneller werden. Mit dem sperrigen Begriff der „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ – die englische Abkürzung lautet PESCO – verfügen wir über eine gute Grundlage. Auf dieser Basis muss die Zusammenarbeit noch sichtbarer werden. Mit einer schlagkräftigeren und glaubhafteren militärischen Komponente würde auch das diplomatische Gewicht der EU steigen.

Was kann die EU tun, um den europäischen Pfeiler der NATO zu stärken? Stichwort: Europäische Armee.

Hardt: Die NATO ist und bleibt das Rückgrat der euroatlantischen Sicherheitsarchitektur. Für uns als CDU/CSU-Fraktion ist klar, dass die EU ihre militärischen Strukturen nur komplementär zur NATO ausbauen wird, nicht als Dopplung oder gar als Alternative. Wir bleiben fest im transatlantischen Bündnis verankert – unter dem Dach der NATO. Dennoch ist wichtig, dass die EU selbst handlungsfähiger wird und auf Krisen in der eigenen Nachbarschaft nicht nur wirkungsvoll reagieren kann, sondern auch präventiv tätig wird. Dies erwarten auch unsere amerikanischen Freunde von uns. Sie sind immer weniger bereit, in Regionen, die aus  ihrer Sicht weit entfernt, für uns aber unmittelbare Nachbarschaft sind, die Ordnungsmacht zu spielen. Dies sehen wir in Libyen aktuell genauso wie in der Sahel-Zone. 

Wir müssen eine eigene zivil-militärische Führungsstruktur aufbauen, die EU-Einsätze steuern kann. Wir müssen die Aufgaben noch klarer unter den EU-Mitgliedstaaten aufteilen, was den Ressourceneinsatz effizienter macht. Und wir müssen interoperable Waffensysteme aufbauen. Wir wollen die Streitkräfte der EU-Mitgliedstaaten schrittweise so integrieren, dass wir über eine Armee der Europäer langfristig eine Europäische Armee schaffen.

„Wirtschaftliches Gewicht nutzen“

Es wird vielfach über die „Strategische Autonomie Europas“ gesprochen. Was bedeutet das für Sie und was halten Sie davon?

Hardt: Ich finde den Begriff nicht sonderlich hilfreich, da er suggeriert, wir könnten unsere Sicherheit von den USA abkoppeln. Dies ist nicht Politik der CDU/CSU-Fraktion. Für uns ist die transatlantische Sicherheitspartnerschaft unverbrüchlicher Teil unserer eigenen Sicherheit. 
Gleichwohl muss die EU – wie beschrieben – außenpolitisch auf eigenen Füßen stehen und alleine handlungsfähig sein. Dies ist besser mit dem Begriff „Europäische Souveränität“ umschrieben. Wir müssen selbst klar und eindeutig unsere Interessen und Werte benennen und für sie eintreten. Dies kann auch einmal im Dissens mit den USA geschehen, wie es aktuell in der Handels- oder Energiepolitik der Fall ist. Unter Freunden ist das kein Problem.

Wir neigen dazu, das relative Gewicht der EU in Wirtschaftsfragen kleinzureden, obwohl sie eine der größten Volkswirtschaften der Welt ist. Vielmehr sollten wir das Gewicht nutzen, um Strukturen und Standards in unserem Sinne zu setzen.