Skip to main content
(Quelle: CDU/CSU-Bundestagsfraktion | Salvadore Brand)

Nüßlein: „Abwehrmechanismen der EU stärken“

Georg Nüßlein über die Effizienz europäischer Gesundheitssysteme in Pandemie-Zeiten

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass Europas Gesundheitssysteme widerstandsfähiger werden müssen. Dies ist eine der Aufgaben, der sich die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 widmen möchte. Dazu im Kurzinterview Georg Nüßlein. 

Was sind die wichtigsten Lektionen, die die EU aus der Corona-Pandemie gelernt hat?

Nüßlein: Die EU hat in der Corona-Pandemie keine große Rolle gespielt. Dies ist auch nicht verwunderlich, da sie wenig Kompetenzen im Gesundheitsbereich hat. Die meisten Mitgliedstaaten haben bewiesen, dass ihr Gesundheitswesen die Pandemie in nationaler Souveränität gut managen kann. Deutschland ist ein sehr gutes Beispiel dafür. Diese Kompetenzverteilung muss daher auch so bleiben. Um die Mitgliedstaaten bei einer Pandemie effektiv unterstützen zu können, müssten die langwierigen Entscheidungsprozesse der EU deutlich schneller und effizienter werden. Z.B. könnte Schutzausrüstung gemeinsam beschafft werden, damit sich die einzelnen Mitgliedstaaten nicht gegenseitig Konkurrenz machen und dadurch die Preise hochtreiben.

„Von internationalen Lieferketten unabhängig werden“

Schutzausrüstung und Medikamente wurden schon zu Anfang der Pandemie rar. Wie kann die EU die Versorgungslage besser in den Griff bekommen?

Nüßlein: Wir müssen spürbare Anreize dafür schaffen, dass wichtige Schutzausrüstung und Arzneimittel-Wirkstoffe auch wieder in der EU produziert werden. So können wir unabhängig von internationalen Lieferketten werden. Dies geschieht in Deutschland z.B. bereits durch Förderprogramme des Bundeswirtschaftsministeriums für Produktionsanlagen von Masken. Auf EU-Ebene könnte das gerade vom Europäischen Rat beschlossene Aufbauinstrument „Next Generation EU“ dafür genutzt werden. Das europäische Beihilferecht sollte so ausgestaltet werden, dass es der Förderung der Produktion von Arzneimitteln und Schutzausrüstung in der EU nicht entgegensteht oder diese rigoros einschränkt. Außerdem sollte es wie im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich spezielle europäische Vergabevorschriften für den Arzneimittelbereich geben, die die Versorgungssicherheit einschließlich der Lieferketten in den Mittelpunkt stellen.

Braucht die EU im Gesundheitssektor neue Behörden oder Instrumente, um sich besser wappnen zu können?

Nüßlein: Ein guter Schutz der EU gegen Pandemien ist keine Frage neuer europäischer Behörden oder Instrumente, sondern der Funktionsfähigkeit der bestehenden Stellen, Mittel und Programme, die den Gesundheitsbereich berühren. Wir haben mit dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) in Stockholm eine EU-Behörde, die genau für Pandemien zuständig ist. Ihre Aufgabe ist es, die Abwehrmechanismen der EU gegen Infektionskrankheiten zu stärken. Das ECDC ist vergleichbar mit dem deutschen Robert-Koch-Institut, ist aber personell und finanziell sehr viel schlechter ausgestattet. Um die EU-Mitgliedstaaten effektiver bei der Bekämpfung von Pandemien wie Corona unterstützen zu können, sollten sowohl Personal als auch EU-Haushaltsmittel aus weniger sensiblen Bereichen zum ECDC umgeschichtet werden.