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(Quelle: Tobias Koch)

Wir können auch heute noch von Konrad Adenauer lernen!

CDU als Volkspartei erhalten

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, besucht an diesem Donnerstag das Adenauerhaus in Rhöndorf. In einem Essay würdigt Brinkhaus den ersten Fraktionsvorsitzenden sowie ersten Kanzler der Bundesrepublik. Der Beitrag, der auch auf der Webseite der Fraktion – www.cducsu.de – veröffentlicht ist, hat folgenden Wortlaut:

Konrad Adenauer ist für mich bis heute eine der faszinierendsten Persönlichkeiten der deutschen Geschichte. Kein anderer Politiker - Helmut Kohl vielleicht ausgenommen – hat die Bundesrepublik so nachhaltig geprägt wie Adenauer. Er war der erste Kanzler der Bundesrepublik, Mitbegründer der Volkspartei CDU und Verfechter eines geeinten Europas. Er ist ein Monument in der deutschen Geschichte.

Als neuer Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion besuche ich an diesem Donnerstag den Wohnsitz Adenauers in Rhöndorf bei Bonn. Mit diesem Besuch will ich meine Wertschätzung für Adenauer deutlich machen, der ja auch für wenige Tage der erste Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war. „Der Alte“ ist aber beileibe keine museale Gestalt. Wer in wichtigen Fragen nach Orientierung sucht, sollte sich an Adenauers politisches Wirken erinnern. Man kann auch heute noch von ihm lernen.  

Drei Punkte möchte ich aus aktuellem Anlass herausgreifen: 
In der Union wird vor dem Hamburger Parteitag Anfang Dezember auch über den künftigen politischen Kurs diskutiert. Mitunter ist in der Partei der Wunsch zu vernehmen, wieder mehr an die Verortung vor 1998 anzuknüpfen. Ich halte solche Debatten für nicht zielführend. Es kommt immer auf die konkrete politische Gesamtkonstellation an. Die eine Herangehensweise mag dann mehr konservativ erscheinen, die andere mehr liberal, eine andere wiederum mehr christlich-sozial. Am Ende stellt sich jedoch die Frage: Was nützt sie den Menschen und dem Land? 

Das wäre ganz in Adenauers Sinn. Auch er war Pragmatiker und – heute würde man sagen – Realpolitiker. Politischen Utopien stand er skeptisch gegenüber. „Nehmen Sie die Menschen wie sie sind, andere gibt es nicht“, lautet ein bekanntes Zitat von ihm. So sehr er „reinen Lehren“ kritisch gegenüberstand, so sehr vertrat er den Gedanken der Volkspartei, den er schon in der Weimarer Republik verfolgte. 

Schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg - Adenauer war von der amerikanischen Militärregierung wieder als Oberbürgermeister von Köln eingesetzt worden - trat er in die Christlich-Demokratische Partei (CDP) ein, die spätere CDU. Deren Gründung war ein Novum in der deutschen Parteiengeschichte. Sie begriff sich als überkonfessionelle Volkspartei – im Gegensatz zur rein katholischen Zentrumspartei in der Weimarer Republik - und bekannte sich zu einem allgemeinen christlichen Familien- und Menschenbild. 

Die Christlich-Demokratische Union – der Name Union ist Programm - wollte nicht nur eine Partei für die katholischen und evangelischen Christen sein, sondern auch Bürger aus allen soziale Schichten in einer Volkspartei vereinen. Faszinierend ist, dass sich bereits in den Gründungsjahren erste Vereinigungen wie die Jungen Union, die Frauenarbeitsgemeinschaft oder die Sozialausschüsse konstituierten, die die ganze Breite der Union abbildeten. Der Historiker Hans-Peter Schwarz urteilte einst, dass die CDU ein „Großexperiment der Parteibildung“ gewesen sei. 

Die CDU muss heute nicht erneut zu einem Laborversuch antreten. Adenauer lehrt uns aber, dass wir offen sein müssen für alle Menschen. Dass wir Partei aller Bürger aus allen Berufen, allen Regionen und unterschiedlicher Herkunft sein müssen. Bei uns müssen sich die Bürger sicher sein können, dass ihre Anliegen ernst genommen werden, dass ihre Interessen gegen die anderer verantwortungsvoll abgewogen werden, damit am Ende eine gute Politik für alle Bürger herauskommt. Gerade in einer Gesellschaft, die zunehmend auseinanderstrebt, müssen wir alles daransetzen, die CDU als Volkspartei zu erhalten – als Volkspartei, in der die Menschen zusammengeführt werden. 

Adenauers Name ist auch wie kaum ein anderer mit dem vereinten Europa verbunden. Bereits in seiner Zeit als Kölner Oberbürgermeister während der Weimarer Jahre war Adenauer klar geworden, dass die Isolation Deutschlands als Folge des Ersten Weltkriegs und die deutsch-französische „Erbfeindschaft“ nur durch eine Politik der Verständigung und Zusammenarbeit überwunden werden könnten. Das Streben nach einem geeinten Europa war ein zentrales Ziel seiner Kanzlerschaft. 

„Die Rettung Deutschlands und die Rettung Europas sind identisch“, sagte er auf einer Veranstaltung 1948, als Europa noch in Schutt und Asche lag. Das Ziel des vereinten Europas verband er dabei stets mit dem Ziel der Westbindung: „Es besteht für uns kein Zweifel, dass wir nach unserer Herkunft und nach unserer Gesinnung zur westeuropäischen Welt gehören“, sagte er in seiner ersten Regierungserklärung. „Wir wollen zu allen Ländern gute Beziehungen, auch solche persönlicher Art, unterhalten, insbesondere aber zu unsern Nachbarländern, den Benelux-Staaten, Frankreich, Italien, England und den nordischen Staaten.“ Der Stratege Adenauer wusste, dass sich das gemeinsame Europa nur Schritt für Schritt erreichen ließe. 

Wir haben vor wenigen Tagen an das Ende des Ersten Weltkriegs erinnert. Was wäre den Völkern erspart geblieben, wenn es 1914 und auch 1939 das Europa gegeben hätte, das Adenauer nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit aufgebaut hat. Die Toten der beiden Weltkriege waren ihm eine Mahnung. Sie müssen es auch heute noch sein. Jeder Einsatz für Europa ist und bleibt auch ein Einsatz für den Frieden. 

Europa wird weiter zusammenwachsen müssen. Anders wird sich unser Kontinent in einer globalisierten Welt nicht behaupten können. Es gibt ein Zitat von Adenauer aus dem Jahre 1953, das visionär ist: „Kein europäisches Volk ist allein in der Lage, sich militärisch zu schützen oder wirtschaftlich zu entwickeln. Bestünde man darauf, in der heutigen Welt die traditionellen Begriffe des Nationalismus hochzuhalten, so bedeutete dies die Aufgabe Europas.“ Genau so müsste dies jeder Politiker heute formulieren. 

Adenauer bejahte die Einheit Europas – aber er wollte keine Gleichförmigkeit. "Die Deutschen sind Deutsche, die Franzosen Franzosen, die Niederländer Niederländer. Jeder will sein Vaterland behalten mit seiner Kultur, Geschichte und Sprache. Keiner kann verlangen, dass die berechtigte Eigenart aufgegeben wird", sagte er im Jahr 1962 in einem Interview. Auch heute wissen wir, dass man den Bürgern eine europäische Identität nicht verordnen kann. Es gibt zwar viele Bürger, die sich vor allem als Bürger Europas ansehen. Aber es sind beileibe nicht alle. Das muss akzeptiert werden - ebenso wie die Tatsache, dass Bürger ihr Land oder ihre Region vornehmlich als ihre Heimat betrachten. Nicht akzeptieren darf man aber, wenn ein neuer Nationalismus als Allheilmittel propagiert wird.   

Adenauer wusste auch immer um die Bedeutung der deutsch-französischen Beziehungen. Die Aussöhnung mit dem „Erbfeind“ hatte für den ersten Kanzler der Bundesrepublik besondere Bedeutung, denn die „deutsch-französische Frage bleibt eine der Hauptfragen Europas“. An einer wirklichen und dauerhaften Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich hängt die ganze europäische Zukunft“, sagte er bereits 1948. Ein besonders enges Verhältnis verband Adenauer mit Charles de Gaulle. Der gemeinsame Besuch der Friedensmesse im Juli 1962 in Reims - Ort der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht im Mai 1945 - ist bis heute ein Augenblick mit besonderer Symbolkraft für die deutsch-französische Geschichte.

Helmut Kohl und auch Angela Merkel haben diesen Weg fortgesetzt ebenso wie das Parlament und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Das deutsch-französische Verhältnis müssen wir pflegen. Es geht zwar längst nicht mehr um Krieg oder Frieden zwischen den Nationen. Aber ohne Deutschland und Frankreich – ohne den deutsch-französischen Motor - bewegt sich wenig in Europa. Die Weltordnung ist aus den Fugen geraten. Die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich sollte als Pfeiler der Stabilität im Interesse der Bürger unbedingt erhalten und ausgebaut werden. Sie ist wie ein geeintes Europa Voraussetzung für eine gute Zukunft.